Die Zeit zwischen dem 25. November und dem 10. Dezember steht jedes Jahr im Zeichen der Bewusstseinskampagne ORANGE THE WORLD. Generell setzt man auf Prävention und Niederschwelligkeit. In diesem Jahr liegt der Fokus auf »Read the Signs« – also Gewalt erkennen, Zeichen verstehen und rasch Hilfe anbieten.
Dazu luden die Soroptimistinnen des SI Melk Colomania zu einem Austausch. Mit dabei waren unter anderen Bezirkshauptfrau Mag. Daniela Obleser, Niederösterreichs Kinder- und Jugendanwältin Mag. Gabriele Peterschofsky-Orange und Sprecherin der niederösterreichischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen Elisabeth Cinatl, MSc.
Gewalt hat viele Facetten. Sie kann psychisch, physisch, anonym im Netz oder sexualisiert ausgeübt werden. Besonders betroffen sind Frauen und Mädchen, generell leiden in Gewaltbeziehungen neben den Partnerinnen deren Kinder. Studien belegen, dass 80 % aller Gewalttaten von Männern verübt werden, jede dritte Frau zwischen 18 und 74 Jahren im Laufe ihres Lebens Opfer von Gewalt ist. Erschreckende Zahlen, die sich in der Statistik widerspiegeln. In Österreich wurden heuer bereits 26 Frauenmorde verübt, davon vier in Niederösterreich.
Auch im Bezirk steigt die Zahl der angeordneten Betretungs- und Annäherungsverbote. Waren es 2020 noch 122, mussten 2022 bereits 161 Anordnungen ausgesprochen werden. Bis 31. Oktober 2023 sind 136 Fälle dokumentiert. Ein Umstand, der beim ersten Hinschauen betroffen macht, da es auch noch eine weit höhere Dunkelziffer gibt. Gleichzeitig lässt die Statistik aber auch den positiven Schluss zu, dass das Bewusstsein steigt und mehr angezeigt wird.
Eine gesellschaftliche Herausforderung stellt die sich wiederholende Gewalt in den Lebensläufen vieler Frauen dar. Von 1 000 Frauen in den Beratungsstellen hat ein Großteil Erfahrung mit Gewalt. Bei fast der Hälfte dieser Frauen handelt es sich um häusliche Gewalt, die sie in ihrer Kindheit selbst erleben mussten und in der eigenen Beziehung wieder erfahren. Viele Mütter können dadurch ihre Kinder nicht schützen und benötigen hier Hilfe. Auf der anderen Seite bietet das KIJU Kinder- und Jugendnetzwerk einerseits Unterlagen und Workshops für Kindergärtner:innen und Lehrer:innen an, andererseits Bücher in der Gedankenwelt der Kinder. Gewaltprävention muss also schon bei den Jüngsten ansetzen, um langfristig erfolgreich zu sein. Zusätzlich ist die KIJU eine Ombudsstelle, die unabhängig agiert.
In der Kulturregion Melk versucht man mit offener Jugendarbeit eine Anlaufstelle für alle zwischen 12 und 23 Jahren zu sein. Gestartet wurde das Projekt im Oktober 2023 und läuft in der ersten Phase bis September 2025. Da bei vielen Übergriffen beispielsweise Alkohol im Spiel ist, setzt man hier auf Suchtprävention und Aufklärung betreffend die rechtlichen Folgen von Sachbeschädigung etc. Das LEADER-geförderte Projekt wird sehr gut angenommen. Jeden Freitag kommen ca. 30 Jugendliche ins Melker Jugendzentrum. Mädchen haben ihren eigenen geschützten Raum, in dem sie über ihre Probleme und Herausforderungen sprechen können. Sicherheit zieht sich durch alle Lebensbereiche der Frauen.
Seit Jahren soll der Shuttle Buzz Jugendliche sicher zu Veranstaltungen und wieder nach Hause bringen. 90 % der Nutzer sind weiblich. Eine Bestätigung, dass Frauen immer wachsamer durch die Welt gehen als Männer.
Beispielsweise im öffentlichen Verkehr achten Frauen viel stärker als Männer darauf, wo sie an Bahnhöfen und Haltestellen warten. Auch bei der Sitzplatzwahl müssen sie sich sicher fühlen. Sexuellen Belästigungen und Übergriffen sollte niemand ausgesetzt sein. Frauen haben sie bis hin zu möglichen Vergewaltigungen immer im Hinterkopf.
Vergewaltigung ist eines der schwersten Verbrechen gegenüber Frauen. Auch in der Ehe! In Österreich ist Sex keine eheliche Pflicht mehr. Auch in Beziehungen gilt ein Nein als Nein! Damit sind sexuelle Handlungen ohne gegenseitiges Einverständnis von allen Teilnehmern Gewalt.
Gewalt findet auf so unterschiedliche Arten statt, dass es sehr viele Stellen braucht, um dieses Thema zu bearbeiten. Jede Stelle erreicht anders unterschiedliche Menschen. Es wird auch in NÖ viel getan. Neben sechs Frauenhäusern und zehn Beratungsstellen entstehen zusätzlich 17 Übergangswohnungen als weitere Schutzräume für Frauen.
Auch die geplanten Gewaltambulanzen sollen bei der Sicherung von Beweisen und erfolgreich geführten Verfahren gegen Gewalttaten helfen. Denn die Opfer selbst erleben Zeit und Ort aus Selbstschutz verzerrt. Durch die genaue Dokumentation von Verletzungen erwartet man sich eine höhere Beweiskraft bei Gewaltverbrechen.
Es ist schon viel geschehen, aber es braucht noch immer Aufklärung, die Zusammenarbeit unterschiedlichster Institutionen und Beratungsstellen damit Gewalt vermieden werden kann.
Vor allem aber braucht es den Mut der Opfer, sich Hilfe zu holen und die Zivilcourage jedes einzelnen Hilfe anzubieten!
Wenn Sie selbst Opfer von Gewalt geworden sind oder Gewalt bemerken, melden Sie sich bitte bei einer der angeführten Notrufnummern und Beratungsstellen:
FRAUENNOTRUF 0171719
FRAUENHELPLINE 0800222555
MÄNNERNOTRUF 0800246247
MÄNNERINFO 0720704400
OPFERNOTRUF 0800112112
POLIZEINOTRUF 133
RETTUNG 144
ÄRZTENOTDIENST 141
RAT AUF DRAHT 147
EURONOTRUF 112
Überblick über alle Hilfsangebote:
sozialinfo.gv.at